Empfehlungen zur Konzeption einer Intranet Informationsarchitektur

von Roland Rickborn

Einführung

Nachdem ich im ersten Teil der Blogpost-Serie Intranet der Frage nachgegangen bin, ob wir ein Intranet brauchen (Spoiler: ja, brauchen wir!), möchte ich in diesem Teil ausführlicher auf die Konzeption der Intranet Informationsarchitektur eingehen. Dabei werden Begriffe wie Navigation, Suchfunktionalität, Websitehierarchie und Taxonomie eine große Rolle spielen.

Grundsätzliches zur Informationsarchitektur

Gerade weil häufig das Missverständnis besteht, dass unter einer Informationsarchitektur die reine Navigation verstanden wird, ist es vielleicht ganz gut, das Thema erst mal zu definieren. Die Definition von Informationsarchitektur bei Wikipedia lautet:

"Informationsarchitektur bezeichnet den Prozess der Gestaltung der Struktur eines Informationsangebots"

Es geht also nicht um ein bestimmtes Element, wie z. B. das Megamenu, sondern um den Gestaltungsprozess. Den größten Teil des Gestaltungsprozesses eines Intranets durchläuft man in der Planungsphase. Wichtig ist zu verstehen, dass sich das Intranet nach dem Go-Live weiterentwickelt. Der Prozess ist also nicht abgeschlossen.

Im Kompendium Informationsdesign [1] werden folgende Themenfelder zum Bereich der Informationsarchitektur gezählt:

  • die Einteilung und Strukturierung der Inhalte
  • die Navigation
  • die Suchmöglichkeiten und
  • das Layout und Design der Inhalte

Microsoft bringt einen weiteren interessanten Aspekt ins Spiel, nämlich Sicherheit. Die Firma nennt diese Themen in Bezug auf Informationsarchitektur [2] seines Produkts SharePoint Online:

  • Navigation,
  • Suchfunktionalität,
  • Websitehierarchie,
  • Taxonomie und
  • Sicherheit

Megamenu vs. Site Navigation

Tatsächlich umfasst das Thema Navigation in einem Intranet mehr als nur Megamenu oder Site Navigation. Je nach verwendeter Technologie kann man beispielsweise folgende Elemente zu diesem Themenbereich zählen:

  • Hauptnavigation (globale Navigation, Hub-Navigation, Site-Navigation, lokale Navigation)
  • Brotkrumennavigation
  • Personalisierte Navigation
  • Suche
  • Fußzeile
  • Tag-Cloud

Die Verwendung der unterschiedlichen Navigationselemente hängt auch von der eingesetzten Technologie ab. Häufig kommt eine Kombination aus einigen dieser Elemente zum Einsatz, z. B. Hauptnavigation, Suche und Fußzeile.

Ich habe bei einem Konzern-Intranet sehr gute Erfahrungen gemacht mit einer Hauptnavigation bestehend aus globaler Navigation und lokaler Navigation. Andererseits hat ein Megamenu den Vorteil, dass sich alle Navigationselemente in einem Menü befinden. Allerdings sind Megamenus in der Regel nicht lokalisierbar, das bedeutet die angezeigten Menüeinträge können nicht dynamisch in Abhängigkeit eines Standort-Attributs des Benutzers angezeigt werden. Bei großen Organisationen kann ein Megamenu schnell unübersichtlich werden. Die Brotkrumennavigation ist hauptsächlich beim Bottom-Up-Ansatz des Intranets interessant, wenn also die Suche eine große Rolle spielt und der Anwender tendenziell häufiger auf „Unterseiten“ landet. Die Fußzeile scheint bei heutigen Intranets aus der Mode gekommen zu sein. Meiner Erfahrung nach wird sie gehörig unterschätzt! Die Nielsen Norman Group bestätigt meine Erfahrung im Artikel Footers 101: Design Patterns and When to Use Each [3].

Mit SharePoint Online sind bis auf Tag-Clouds alle genannten Navigationselemente umsetzbar, aber leider nur mit eingeschränkter Funktionalität. Ohne zu sehr in die Tiefe zu gehen, nur zwei Beispiele:

  • Ein Megamenu ist zwar möglich, aber nicht Hub-übergreifend [4]
  • Eine globale Navigation (SharePoint-App-Leiste [5]) ist zwar möglich, aber nicht lokalisierbar (Stand: Ende Mai 2021)

Suchen und Finden

Die Suche zählt zu den typischen Navigationselementen eines Intranets. Moderne Intranet-Produkte enthalten in der Regel bereits eine gut integrierte Suchfunktion. Üblicherweise befindet sich auf jeder Seite ein Suchfeld, so dass man als Anwender jeder Zeit direkten Zugriff darauf hat. In den meisten Fällen bieten Intranet-Produkte folgende Stellschrauben, mit deren Hilfe die Suchfunktion des Intranets angepasst werden kann:

  • Filter
  • Hervorheben bestimmter Suchergebnisse
  • Suchergebnisse von Drittsystemen

Die in der Suchfunktion zur Verfügung gestellten Filter sollten abgestimmt sein mit den im Intranet verwendeten Inhaltstypen, siehe Abschnitt Taxonomie. Wurde beispielsweise der Inhaltstyp App definiert, so sollten Anwender das Suchergebnis so filtern können, dass nur Ergebnisse dieses Typs angezeigt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Verwendung der Filterfunktion übersichtlich bleibt. Es ist daher ratsam nicht alle definierten Inhaltstypen als Filteroption anzubieten, sondern z. B. nur die am häufigsten verwendeten.

Einige Suchmaschinen von Intranet-Produkten bieten die Möglichkeit, bestimmte Suchergebnisse hervorzuheben, vergleichbar mit Google Ads. Solche hervorgehobenen Ergebnisse sollten Bestandteil der Planung der Informationsarchitektur sein. In der Regel kann man damit einige Quick Wins erzielen. Eine Auswahl typische Suchergebnisse dieser Art sind:

  • die Seiten der IT-Abteilung
    Diese Seiten sind zwar prinzipiell im Intranet vorhanden und auffindbar, häufig verwenden Anwender aber unspezifische Suchbegriffe wie "IT", die zu einer großen Anzahl an unpassenden Suchtreffern führen.
  • die Seiten der Personalabteilung
    Wie bei den IT-Seiten wird hier häufig der Suchbegriff "HR" verwendet, der natürlich auf sehr vielen Seiten zu finden ist.
  • der Speiseplan der Kantine
    Beim Speiseplan kann es sich um ein Textdokument handeln, für das die Suchmaschine u. U. ein niedrigeres Ranking ermittelt, als für eine Intranetseite. Oder der Speiseplan ist gar nicht im Intranet direkt abrufbar, sondern wird in einem Drittsystem vorgehalten.

Oft lassen sich Drittsysteme in die Suchmaschine eines Intranet-Produkts integrieren (sog. Federated search). Die Integration von Informationen von Drittsystem kann sinnvoll sein und muss gut geplant werden. Typische Stolperfallen bei der Integration von Daten von Drittsystemen sind:

  • der Abgleich der Berechtigungsstrukturen in beiden Systemen
    Anwender die im System A keinen Zugriff auf bestimmte Daten haben, dürfen diese Daten nicht in System B finden können
  • die Berechnung des Rankings von Informationen aus Drittsystemen
    Üblicherweise listet eine Suchmaschine die Ergebnisse entsprechend des Rankings. In die Berechnung dieses Rankings fließen viele Daten ein, u. a. wie häufig und erfolgreich der Inhalt bisher verwendet wurde. Diese Daten liegen normalerweise bei Informationen von Drittsystemen nicht vor.

Das Problem mit dem fehlenden Ranking kann man meiner Erfahrung nach eingeschränkt dadurch umgehen, dass man Suchergebnisse von Drittsystemen getrennt von solchen des Ursprungsystems anzeigt. So würde man beispielsweise Kontakte aus dem zentralen Personenregister einer Firma nicht in der Liste der regulären Suchergebnisse anzeigen, sondern in einem getrennten Bereich der Suchergebnisseite, der mit einer eindeutiger Überschrift gekennzeichnet ist.

Das Hervorheben von Suchgebnissen heißt im SharePoint Online Umfeld Enterprise Bookmarks [6] und funktioniert sehr gut, insbesondere für unterschiedliche Zielgruppen und in unterschiedlichen Sprachen. Die Integration von Drittsystemen ist mit SharePoint Online leider nur bedingt möglich. Mehr dazu erfährt man unter dem Stichwort Hybrid Search [7].

Ansätze für die Websitehierarchie

Der herkömmlichste Ansatz für die Websitehierarchie dürfte die Baumstruktur sein. In der Regel wird die Organisationsstruktur als Grundlage der hierarchischen Informationsarchitektur herangezogen. Die Informationsarchitektur spiegelt also die Konzernstruktur wider. Dieser Ansatz ist relativ einfach und daher schnell und günstig umzusetzen. Salopp gesagt reicht ein Blick ins Organigramm. Aus Anwendersicht birgt er den großen Nachteil, dass man sich sehr gut in der Organisation auskennen muss, um sich in der Informationsarchitektur gut zurecht zu finden. Bei großen Konzernen oder für neue Mitarbeiter ist dieser Ansatz weniger hilfreich.

Ein völlig anderer Ansatz steckt hinter der Idee der benutzerzentrierten Informationsarchitektur (auch funktionale Informationsarchitektur). Dabei steht nicht die Organisation im Mittelpunkt, sondern der Anwender. Man stellt sich also die Frage: „Welche Aufgaben müssen Anwender mit Hilfe des Intranets erledigen können?“ bzw. „Welche Nutzer-Szenarien gibt es?“. Die Konzeption einer benutzerzentrierten Informationsarchitektur ist zwar sehr viel aufwändiger als die Verwendung der Organisationsstruktur, der Nutzen für die Anwender und damit für das Unternehmen ist aber ungleich größer und nachhaltiger. Grob gesagt versucht man bei diesem Ansatz, die Top-Aufgaben der Anwender zu identifizieren. Diese Aufgaben bilden die Basis für die Struktur. Beispielsweise kann mittels des Card Sorting Verfahrens [8] versucht werden, die finale Informationsarchitektur zu finden und zu validieren. Diese Schritte (Aufgaben oder Szenarien identifizieren, Card Sorting oder User Testing) können mit verschiedenen Aufgaben-Leveln bzw. Anwendergruppen wiederholt werden. Also beispielsweise zuerst Top-Aufgaben aller Mitarbeiter, danach Top-Aufgaben aller Mitarbeiter aus einem bestimmten Bereich.

Beide Ansätze sind unabhängig von der tatsächlich später verwendeten Technologie. Mit SharePoint Online lassen sich beide Ansätze realisieren.

Taxonomie – Einordnung der Inhalte

Metadaten spielen hauptsächlich dann eine wichtige Rolle im Intranet, wenn es um das Finden von Inhalten geht. Moderne Intranet-Produkte enthalten häufig bereits eigene Suchmaschinen die anhand von Volltextindexierung alle textbasierten Inhalte eines Intranets erfassen können. Aber erst durch Metadaten werden aus indizierten Informationen relevante Suchergebnisse. Dabei gilt es zwei Gruppen von Metadaten zu unterscheiden:

  • Einfache Metainformationen und
  • Hierarchische Metainformationen (Taxonomie)

Einfache Metadaten sind z. B. Titel, Dateityp oder Bearbeitungsdatum. Häufig werden solche Metadaten automatisch vom System erfasst bzw. sie sind als Pflichtfeld anzugeben. In der Regel ist die Akzeptanz der Pflege solcher Daten groß und die Qualität der Daten daher relativ gut. Im Rahmen der Informationsarchitektur gibt es zwei Ansätze für die Identifikation von Metadaten:

  • Top-Down oder
  • Bottom-Up

Beim Top-Down-Ansatz wird versucht, einen vollständigen Überblick über alle Inhalte zu erlangen. Die Inhalte werden dann sortiert und gruppiert, so dass am Ende Inhaltstypen definiert werden können. Für diese Inhaltstypen können dann entsprechende Metadaten erstellt werden. Beispielsweise wird ein Inhaltstyp App festgelegt, der über diese Metadaten verfügt:

  • App-Name
  • App-Beschreibung
  • App-Link
  • App-Info-Link
  • App-Zielgruppe

Allerdings ist es schwierig, sich schon zu Beginn der Planung einen vollständigen Überblick über alle Inhalte zu verschaffen. Daher ist es meiner Meinung nach ratsamer, im Rahmen des Bottom-Up-Ansatzes schrittweise vorzugehen. Bei diesem Ansatz hangelt man sich z. B. von Geschäftseinheit zu Geschäftseinheit. Mittels Sortierung und Gruppierung von Inhalten der Geschäftseinheit werden die benötigten Inhaltstypen identifiziert. Neue Inhaltstypen sollten dabei nach Möglichkeit immer auf bereits definierten Inhaltstypen basieren. Um im Beispiel zu bleiben, würde der Inhaltstyp Sales-App vom oben erwähnten Typ App erben und nur um diese Metadaten erweitert werden:

  • App-Zieleinheit
  • App-Zielland

Der Bottom-Up-Ansatz kann vor allem bei Taxonomien, also hierarchisch strukturierten Metadaten, hilfreich sein. Dies gilt insbesondere für die Zeit nach Einführung des Intranets, im Berufsalltag. Die Taxonomie muss immer wieder überprüft und angepasst werden. Das beste Beispiel dafür ist die aktuelle Coronapandemie. Wohl jeder Intranet-Verantwortliche musste im letzten Jahr die vorhandene Taxonomie um einen entsprechenden tag erweitern. Die Festlegung der Taxonomie ist eine Sache, die Verwendung derselben ist eine andere. Meine Erfahrung zeigt mir, dass tags häufig nicht oder falsch verwendet werden. Hier erscheint mir der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) sehr vielversprechend. Das Intranet-Produkt Mesh [9] beispielsweise analysiert und vergleicht relevante Inhalte einer Seite mit der vorhandenen Taxonomie und vergibt selbstständig tags.

SharePoint Online ist sehr flexibel was Inhaltstypen angeht. Es stellt eine umfangreiche Liste an Spaltentypen [10] bereit. Die AI-basierte Vergabe von tags (auto tagging) gehört nicht zum Standardumfang von SharePoint Online, kann aber mittels Microsoft Flow und z. B. Microsoft Cognitive Services [11] eingerichtet werden.

Sicherheit

Microsoft bezieht sich im Artikel Information architecture models and examples [2] beim Thema Sicherheit hauptsächlich auf die Daten Governance, also dem ganzheitlichen Management von Daten im Intranet und der Administration, also der Verwaltung der Benutzerberechtigungen. Meiner Erfahrung nach spielt Daten Governance bei der Informationsarchitektur eine untergeordnete Rolle. Ganz zu vernachlässigen ist das Thema aber nicht, siehe z. B. den vorhergehenden Absatz zu Metadaten und Taxonomie. Hinsichtlich der Sicherheit besteht die Herausforderung in der Verwaltung der Benutzerberechtigungen (Zugriffssicherheit), als auch der Personalisierung (Compliance Sicherheit), also der Kontrolle darüber, welcher Anwender welchen Inhalt angezeigt bekommt. Die Administration im Sinne von Nutzerverwaltung hängt stark vom tatsächlich verwendeten Intranet-Produkt ab. Häufig kann mit Gruppen eines Verzeichnisdienstes gearbeitet werden, wodurch das Thema Berechtigungen und Administration gut abgedeckt werden kann. Im SharePoint Online Umfeld sei hier der Enterprise-Identitätsdienst Azure Active Directory [12] genannt. Gleiches gilt für die Personalisierung - Microsoft nennt compliance purposes in seinem Artikel - die im SharePoint Online Umfeld audience targeting [13] heißt. Audience targeting wird in immer mehr Webparts eingebaut, weshalb dieses Thema spannend bleibt.

Fazit

In diesem Blogpost habe ich gezeigt, dass Informationsarchitektur mehr ist als die Planung der Hauptnavigation. Ich habe jedes Themenfeld der Informationsarchitektur kurz beleuchtet, typische Ansätze vorgestellt und meine Erfahrung damit geschildert. Außerdem habe ich bei jedem Themenfeld erwähnt, welche Optionen SharePoint Online dabei bereit hält.

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